Leinen los!! Für die Atlantiküberquerung hieß es in Cap Verden. Die Adelante mit Doris und Stefan – die vis a vis am Steg in Mindelo standen sind vorgestern losgesegelt. Die Aries mit Evelyn und Roland – unsere Vorarlberger Landsmänner – sind gestern losgesegelt.
Logbucheintrag 27.11.2023
Boot Check intensiv, Wetterdaten neu, Oxley herrichten, Ölstand, Bilgen, Tanks
0845: Mot an
0900: 16°53‘098W 024°59‘750W START MINDELO
Unsere Freunde von der „Bossa Nova“ verabschieden uns mit Wasserflaschen, „das ist so Brauch in der Türkei“ erklärte uns Ilkut am Vorabend auf ihrem Boot, denn man gießt beim Ablegen Wasser hinterher, damit immer genug davon unter dem Kiel sei.
Ein schöner Abschied 😍. Wir drücken uns alle noch davor am Steg mit dem Versprechen, uns in der Karibik wieder zu sehen.
Eine halbe Stunde später können wir den Motor wieder ausschalten, den Kurs auf 240° ändern, das Oxley setzen und los geht’s. Wir beschliessen den Kurs aufgrund der Windsituation und der prognostizierten Flaute sehr südlich anzusetzen, um eben dieser auszuweichen, vom guten Wind und der Strömung zu profitieren. Mit dieser Entscheidung sind wir weitgehend alleine….
Wir haben 18-20 Knoten Wind aus 180° – will heissen „von hinten“. Die Dreimeterwelle hebt die TRELAX an, dreht sie ein wenig und geht unter ihr durch. Wir sind jetzt den 4. Tag auf dem Atlantik. Eine gewisse Monotonie entsteht. Das Highlight des Tages ist immer unser gemeinsames „Mittag-Abendessen“ – wir haben es einfach so eingerichtet, dass wir immer um 1700 Bootszeit essen. Obwohl sich die Zeit natürlich verschiebt, haben wir sie seit Cap Verde noch nicht geändert und somit einen Rhythmus einhalten können, was uns beiden sehr gefällt und auch gut tut.
Eiernudeln oder Schnitzel oder Schweinefilet oder…..
Heute hab ich Lust auf Eiernudeln. „Magst du auch welche“ frage ich Egon, „ja gerne, mit einem Stück Fleisch“ meint er. Ist ja kein Problem, denn davon haben wir genug. In Lanzarote konnten wir, dank dem Tip von einer Freundin, die dort auf ihrem Boot „Corona-Zeit“ verbrachten, einkaufen. Genug, denn danach wird’s nichts mehr Vergleichbares geben, weder qualitativ noch preislich so günstig wie da. Also bunkerten wir unsere Tiefkühltruhen bis zum Bersten voll.
Kochen auf dem Boot ist so eine Sache. Am Ankerplatz geht das im Normalfall sehr gut. Auf den Überfahrten so wie auf dieser ist es manchmal ein bisschen anstrengend. Dennoch ist es in unserer Küche (Pantry seemännisch😉 ) immer noch angenehmer als auf einem Einrumpfsegler. Ein Trimaran krängt nicht so sehr wie ein Monohull, aber trotzdem bockt und zickt – rollt und stampft unsere TRELAX. Also ist die große Herausforderung nicht der 3 Gänger, sondern der momentane Seegang, denn dem wird das Gericht angepasst. Darum heute „Eiernudeln“ und ein Stück gebratenes Fleisch für Egon. Wenn dann der Abwasch auch erledigt ist, was auch immer wieder eine Herausforderung ist, bin ich froh, dass nichts kaputt gegangen und alles wieder gut verstaut ist.
Der perfekte Zeitpunkt eine Pause einzulegen. Abwechslungsweise verzieht sich dann einer von uns zweien ins Schlafzimmer.
Wir haben keine fixen Wache-Zeiten, wie viele andere Teams. Wir schlafen, wenn wir müde sind. Zum Glück ist es so, dass Egon nicht so viel Schlaf am Stück braucht wie ich. Unter 7 Stunden ist bei mir eher schwierig, hingegen ist Egon mit 3-4 Stunden schon sehr zufrieden. Na ja, so haben wir auch unseren Rhythmus gefunden. Und wenn es das Wetter zulässt, machen wir halt tagsüber auch noch ein Päusle. Also stellte ich mir einen Wecker, der mich 7 Stunden später mich zur Wache schickt.
Die Hauptaufgaben der Crew sind die Kontrollen der Leinen, Rollen, Schäkel und Bilgen. Beim morgendlichen Rundgang auf dem Deck werden die fliegenden Fische, und das sind täglich bis zu 20 Stück, wieder ins Wasser geworfen und das Deck gereinigt. (oh wie das unangenehm riecht, und so intensiv ) Meistens hat dies Egon – the Captain – erledigt, es ist ihm einfach lieber, wenn ich während dem Seegang nicht aufs Vorschiff gehe und nachts machen wir dies ohnehin nicht, da bleibt das Bimini-Zelt verschlossen, es ist einfach sicherer.
Alle drei Stunden werden Logbucheinträge gemacht. Darin wird neben der Uhrzeit (Bordzeit) die Position, Logge (KM-Stand), Windstärke, SOG (Geschwindigkeit über Grund) und Kurs eingetragen. Zusätzlich schreiben wir auf, wie viele Seemeilen wir innerhalb der letzten 24 Stunden gesegelt sind. Mindestens zwei Mal täglich werden die Wetterdaten per Satellitentelefon geladen, ausgewertet und zu erwartende Änderungen im Logbuch vermerkt. Wir verfolgen die Aries und die Adelante weiter, stehen in Kontakt und schreiben Wetterinfos, oder Stefan schreibt uns, dass ihr Autopilot ausgefallen ist und sie jetzt händisch steuern müssen – na Gottseidank sind sie zu viert, puh, für diesen Fall, hat Egon einen zweiten Autopilot beim letzten großen Check in Spanien einbauen lassen.
Auf Schiffen sind sämtliche Aufgaben genauestens geregelt. Bei Segelbooten hängt es immer mit der Größe der Crew zusammen. So haben wir in Mindelo Crew´s getroffen bei denen 8 Mann auf einem kleinen Einrumpfboot unterwegs sind. Da teilen sich zwei Mann eine Koje, und jede Wache ist stark besetzt.
Wir segeln zu zweit, haben zwar genügend Betten aber wenig Zeit um diese zu nutzen.
Es gibt keinen Schichtplan oder eine fixe Arbeitseinteilung, dennoch hat sich ein gewisser Rhythmus gebildet. Egon kümmert sich mehr um die technischen Angelegenheiten, meine Aufgabe ist es, für das leibliche Wohl zu sorgen. Bei den Wachen sind wir sehr flexibel.
Ja genau, und Freizeit haben wir ja auch noch 😆– die verbringen wir nicht so produktiv wie an Land, denn mit Fahrradfahren und Joggen ist es schwierig, zumal bei Seegang die Verletzungsgefahr zu gross wäre 🥴 – nein wir lesen oder hören Bücher, sehen Filme, die wir auf unseren Festplatten finden, bissi älter halt, und irgendwie habe ich auf meinem Laptop die Traumhotel Serien entdeckt – na ja, jetzt wissen wir zumindest wie es auf unseren Traumdestinationen aussieht. Häkeln war auch noch so eine meiner Optionen, jedenfalls kommt keine Langeweile auf.
Heute ist der Himmel erstmals mit grauen Wolken verhangen und die Sonne kommt nicht durch. Egon studiert die Wolken, überlegt ob über Nacht ein Gewitter oder ein Squall zu erwarten ist. Sicherheitshalber schaltet er auch das Wetterradar ein.
„Brauchst du noch etwas? Falls nicht, lege ich mich ins Bett“ sage ich zu Egon. Er startet den Laptop und findet einen Film , ein Gutenachtküssle – „bis später“
nDie Nacht war langweilig. Kein Squall, kein Sturm, kein Regen, keine gerissene Leine. Und genau das gefällt uns. Gegen drei bin ich aufgestanden und habe Egon abgelöst. Bis um sieben hat er dann tief und fest geschlafen. Während meiner Wache höre ich wieder die Fische ans Deck klatschen, die die Wellen und sie sich damit selbst hinauffliegen lassen. Ich warne ihn, doch es wäre nicht nötig gewesen, der Geruch hat es bereits verraten.
5 Stück auf der Steuerbordseite, 8 vorne, 6 auf der Backbordseite und zwei im Heckbereich befördert er gleich ins Wasser. Warum müssen die blöden Viecher auch immer so hoch aus dem Wasser springen und dann auf unserem Boot verenden. Das Deck wird, wie jeden Morgen wieder mit Salzwasser gereinigt, damit die Flecken nicht verkrusten.
„Wenn einmal die Segel gesetzt sind, ist die meiste Arbeit für die Überfahrt getan.“ , sagt Egon. Anders als auf einem Binnensee an einem schönen Sonntag. Hier muss man sich nicht um Vorrangregeln kümmern, weil es quasi keinen Verkehr gibt. Kein Schiff oder Boot seit Tagen auf dem Schirm.
Nachdem wir immer wieder uns versprechen, dass wir nicht über Bord gehen, keiner von uns, gibt es diese Security-Maßnahmen – die Kuchenbude bleibt nachts geschlossen, der der Nachtwache hat muss eine Schwimmweste tragen und sich einpicken, will heißen, sich mit dem Boot verbinden. Damit im Falle einer von uns einschläft, nicht ins Wasser fallen kann.
Die Stärke des Windes wechselt, wird aber wieder konstant etwas höher. Gleich am Anfang der Reise haben wir unser 200 Quadratmeter großes OXLEY gesetzt. Dieses Segel ist speziell für Downwind konzipiert und wir verwenden es bis zu einer Stärke von ca. 22 Knoten. Bei stärkeren Winden kommt unser 140-er OXLEY zum Einsatz. Das hält dann auch locker Böen bis 30 oder 35 Knoten aus.
Standardmäßig wird das Boot mit Genua und Sturmsegel (als Vorsegel vor dem Mast) und dem Großsegel (am Mast hinten angeschlagen und mit einem Baum geführt) ausgeliefert. Diese Segel sind auch perfekt für Windwinkel von ca. 40 Grad bis 150 Grad. Von 150 Grad bis 180 Grad ist ein Mehrrumpfboot nur sehr bedingt segeltauglich und bei Welle alles andere als angenehm.
Abhilfe schafft da ein zusätzliches Segel das oben am Mast und vorne an den Außenrümpfen angeschlagen wird. Die Leinenführung ist simpel und bedienerfreundlich. Das Segel hat zudem den Vorteil, dass das Boot vorne leicht angehoben wird und so schöner durch die Wellen gleitet. Zudem richtet sich es sich sehr gut selbst ein und muss nicht permanent nachjustiert werden. Kein Wunder, dass wir dieses Tuch ganz besonders lieben.
So einfach wie es zu segeln ist, so viel Erfahrung und Gefühl braucht man beim Setzen oder Bergen. Bevor es aufgezogen wird müssen alle Leinen perfekt hergerichtet sein und das Boot den richtigen Winkel zum Wind haben.
Rechtzeitiges Bergen des Segels ist aber der Knackpunkt an der Geschichte. Wird der Wind und die Böen unerwartet stärker, wird es schwierig zu bergen.
Die Kräfte sind enorm und mit unserer Zweiercrew fast nicht mehr zu schaffen. In den vergangenen Jahren musste Egon dies einige Male schmerzhaft erfahren, mein Tun am Steuer hat nicht weh getan.
Es folgten umständliche Reparaturen, das Ergebnis eines ungeschickten Manövers. Mittlerweile haben wir dieses Teil sehr gut im Griff.
Leider folgt nachstehender Logbucheintrag:
Freitag, 2.12.2023.
1550: 11°50‘905N 039°33‘960W Oxley gerissen
Eigentlich sitzen wir gemütlich bei Tisch und tranken Tee bzw. Kaffee als wir plötzlich einen lauten Schnalzer hörten. Wir sehen uns an und wussten in der Sekunde, dass etwas mit dem Oxley passiert ist. Dass es allerdings so zerrissen ist, damit haben wir nicht gerechnet. Den Grund müssen wir später eruieren, wichtig ist es jetzt, damit nicht irgendetwas am Boot Schaden nimmt, das beschädigte Segel herunter zu holen, … und unser kleineres Oxley gleich zu setzen (Gottseidank haben wir sehr viele Teile „in spare“)
Ab in den Maschinenraum, zuerst das Kühlwasserventil für den Motor öffnen. Ich starte den Motor und fahre das Boot in die richtige Windposition. Egon zieht den Bergeschlauch über das zerrissene Segel. Dann das Spifall nachlassen und das Segel verstauen.
Geiles Manöver – sagte Egon – Abklatsch !!! nach 20 min – geschafft – und weiter gings, auch mit unserem Kaffee und Tee 😉
rKomisch eigentlich, wir können uns den Grund nicht erklären, vermuten aber, dass das Segel vielleicht bereits einen kleinen Einriss hatte, der vielleicht beim Bergen oder Setzen passiert ist, den wir nicht bemerkten …oder oder, vielleicht kann uns der Sven unser Lieferant, von Oxley und ein vertrauter Ex-Rennfaherkollege von Egon, ja weiterhelfen. Jedenfalls sind WIR unbeschadet davongekommen und Sven bekommt wieder Arbeit. Wie immer wird er diese mit bestem Service die Reparatur erledigen.
Iridium
Egon hat uns ein Satelliten-Telefon „Iridium-Go“ angeschafft, bereits in Spanien haben wir dies installiert und geübt, denn damit konnten wir unsere Wetterdaten von der App „Predict-Wind“ laden. Es gibt dafür eine spezielle Offshorevariante, die die Daten komprimiert, da dieses Telefon sehr beschränkt ist. Die zu übertragenden Datenmengen werden nicht in TB, GB, oder MB beziffert – nein – hier wird tatsächlich noch mit KB gerechnet. Die Downloadzeit von 100 KB beträgt so ca. 25 bis 30 Minuten. Aber besser als gar nix und Zeit haben wir ja und es funktioniert, die Wetterdaten erhalten wir, so dass wir unsere Route danach richten können.
Bereits vor ein paar Tagen haben wir bei der Wetterapp gesehen, dass es eine Flaute auf unserer Reise gibt. Wir versuchen diese Flaute südlich zu umsegeln, was einen gewaltigen Umweg bedeutet. Andere Boote entscheiden sich die Flaute mit dem Motor zu überbrücken und bleiben auf Direktkurs.
Auch war es uns möglich, die Aries – mit der Evilyn und dem Roland (vorarlberger Landsmänner) – zu verfolgen und Kontakt zu halten, ebenso die Adelante – mit Stefan und Doris (liebe Bekannte die wir in Capo Verde kennengelernt haben ). Das ist zwar keine Versicherung, dennoch ist es eine kleine Absicherung für evtl. Notrufe oder oder, wenn man mit anderen so den Kontakt halten kann. So haben wir erfahren, dass bei der Adelante der Autopilot ausgefallen ist und sie nun zu viert abwechslungsweise manuell das Ruder übernehmen müssen, was natürlich viel anstrengender ist, als eine Nachtwache „einfach so“ absitzen.
Freitag, 2.12.2023.
1550: 11°52‘892N 039°47‘235W …UND IRIDIUM GO FINDET SEIT HEUTE KEINE VERBINDUNG MEHR.
Meldungen wie „keine Verbindung gefunden“ oder „initializing“ leuchtet am Bildschirm. Sonst nix. Na, bravo, Egon kocht vor Wut. Alle Reset-Versuche, etliche Neustarts und Akku raus, wieder rein…… irgendwann, ich glaube nach ca. 3 Tagen haben wir dann aufgegeben. Wir sind ja keine Techniker und für unser Verständnis haben wir alles getan was wir konnten.
Es kostet wirklich viel Geld, sowohl in der Anschaffung als auch im Erhalt, die laufenden Kosten sind echt teuer.
Jetzt heißt es also
- keine Wetterdaten, was für uns furchtbar ist. Wir wollten der großen Flaute sehr weit südlich ausweichen und mit dem Wind dann wieder nördlich die Karibik ansteuern
- im medizinischen Ernstfall keine Möglichkeit einen telefonischen Notruf abzusetzen oder ein Medi-Gespräch zu führen
- Keinen Kontakt zur „Außenwelt“, weder zu unseren Familien, Verwandten und Freunden, Bootskollegen
- wir erhalten Keine Informationen jeglicher Art
Per Track sind wir nicht mehr verfolgbar der Punkt erlischt irgendwo mitten im Atlantik – a la James Bond …uns geht es aber gut, nur können wir dies nicht kommunizieren.
Jetzt müssen wir uns auf unser Gefühl verlassen und die Wolken, den Himmel und speziell in der Nacht das Radar gut beobachten.
Vor allem aber haben wir uns entschieden, die Flaute, wann immer sie kommt und wo immer sie ist, nicht auszustehen, sondern mit dem Motor weiterzufahren. Wir wollen niemandem im Ungewissen lassen und so rasch wie möglich ankommen
Weigel
Ein anderer Zeitvertreib ist auch, auf unseren „Daltons“ – den Chillersesseln herzumzuknotzen und zu lesen oder hörbuchdösen. Nach unserem gemeinsamen Frühstück macht es sich Egon am Oberdeck auf „Jack“ bequem, nachdem er ein bisschen mit der Handorgel gespielt hat, und ich am Steuerstand. Nach einer Zeit fällt ihm das Kindle aus der Hand und ich höre sogar ein leises und zufriedenes Schnärcheln.Als ich nach einem Weilchen wieder zu ihm hinübersehe, steht da plötzlich ein weisser Vogel ziemlich gleich neben dem Lümmelsessel in dem Egon chillt. Wir trauten unseren Augen nicht – ca 700 NM war die nächste Insel entfernt und jetzt sitzt da ein weißer Vogel keinen halben Meter von Egon entfernt. Ich flüstere ihm ganz leise zu: „nicht schnell bewegen, wir haben Besuch. Neben dir steht ein Vogel“ Fragend und mit großen Augen sieht er mich an. „rechts von dir, gaaaanz langsam umdrehen“. Als er das Tier bemerkt, zückt er ganz langsam das handy und die Fotosession war eröffnet, derVogel macht einen auf Model. Es sah aus, als ob er das nicht zum ersten Mal machen würde, posiert und ist eigentlich völlig unbeeindruckt von unserem Tun. Er will sich offensichtlich nur ausrasten. „Na ja für ein Abendessen ist der definitiv zu wenig, wenn ich den in die Pfanne hau, reicht es nie für uns beide“ meine ich, so verhungert und geschwächt wie der aussieht. Wir einigten uns darauf, ihn zu füttern. Stellten ihm ein Wasserschüsserl hin und ein paar Brotkrümel. So richtig interessiert hat es ihn nicht.
Wir haben ihn Weigel – Weisser Vogel – genannt, wussten ja nicht was das für ein Viech ist…
Das Futter und Wasser hat er also verschmäht, trotzdem hat er sich rund um das Boot bewegt und sich neugierig alles angesehen. Nachts hat er sich einen Schlafplatz gesucht. Wir dachten, dass er die fliegenden Fische verspeisen will. Herausgefunden haben wir dies nicht, am nächsten Morgen war der Weigel weg und die fliegenden Fische auch.
So, und dann kommt die Flaute und wir stecken mitten drin. Na bravo. Egons Idee, das Oxley zu trocknen bevor es schimmelt, ließ uns schnell handeln. Das Segel montieren, trocknen und wieder ordentlich versorgen. Perfekt, dafür eignet sich diese Windsituation wunderbar, und unser Tuch schimmelt nicht vor sich hin.
Seemannsphilosophie? Wann ist denn eine Flaute ein solche? Was bedeudet kein Wind. Null oder 2 Knoten? Vielleicht erst ab 6 oder 8 Knoten? Oder hat da jeder seine eigene Meinung dazu? Wir haben einen Umweg von ca. 250 Seemeilen in Kauf genommen, damit wir nicht in die prognostizierte Flaute segeln. Tja und dann haben wir fast zwei Tage lang Wind mit weniger als 8 Knoten obwohl der Wind hier nicht unter 15 Knoten fallen sollte.
Antwort gibt es sowieso keine, jedenfalls heißt es aber flache See. Und wenn die TRELAX nicht rollt oder stampft nützen wir dies aus, um Wäsche zu waschen und aufzuhängen, und eine kleine Pause einzulegen.
Wir gaben den Fischen ein kleines Privatkonzert auf der Handorgel und der Panflöte. Vielleicht haben wir deshalb keine gesehen. Außerdem macht fischen echt keinen Spaß, wenn der Haken durch diese Riesenteppiche Seegras rauscht. Hängen bleibt nur dieser lästige „Salat“ und kein Fisch kann den Weg zum Haken finden.
Außerdem konnten wir noch eine Entdeckung machen. Auf diesen Feldern befanden sich gelegentlich ganz komische rosarot-lila schimmernde „Blasen“. Wie wir herausgefunden haben, waren dies tatsächlich portugiesische Galeeren.
Ein besonderer Abend
Tag acht, oder war es Tag neun. Wir verlieren langsam die Übersicht. Mit dem kleinen OXLEY sind wir zwar um ca. 1 bis 1,5 Knoten langsamer, segeln aber immerhin noch ca. 40 % der wahren Windgeschwindigkeit.
„Ich aktiviere die Fischerrute“ sage Egon. „Aber bitte keinen großen Fisch, wir haben keinen Platz im Tiefkühler“ meine ich lächelnd.
Nach ca. zwei Stunden beisst einer an.
Scheint doch ein Großer gewesen zu sein. Jedenfalls hat er den Blinker samt Schnur ausgerissen oder abgebissen. Gottseidank, denke ich mir. Nur das Blei hängt noch an der Leine. Egon montiert einen neuen Blinker und wirft ihn ins Wasser. Die Leine ist noch keine 5 Meter vom Boot schon zappelt einer am Haken. „Das gibt es doch nicht“ rufe ich. Ich kümmere mich wie gewöhnlich um die „Bergeutensilien“ während Egon den Fisch auf das Boot hievt.
„Perfekte Größe, wie bestellt“ sagt Egon“ und grinst. „Wow, ein Gelbflossentuna“ freue ich mich sehr darüber, denn das war wirklich ein perfektes Abendessen. Ich zerlegte den 2 oder 3 Kilofisch am Heck des Bootes und bringe die Filets in die Küche, ähm Pantry, während Egon die Reste ins Meer zurückwirft und das Heck wieder reinigt.
Am späten Nachmittag kümmere ich mich nun um unseren wunderbaren Fang. Ich mariniere die beiden Filets in einer feinen Teriakisauce, koche Kartoffeln und würfle ein paar Tomaten. Dann werden die Filets kurz angebraten und wir gönnten uns einen der feinsten Fische ever. So frisch und so zart. Den Wein dazu erdenken wir uns, denn während der Fahrt wird bei uns kein Alkohol getrunken. Erst wenn wir am Anker hängen, darf Bier oder Wein getrunken werden, isso und is gut so.
Heute ist die Stimmung auf dem Atlantik etwas ganz Besonderes.
Fische springen in der Abenddämmerung. Die glitzernden Fischkörper sind ca. 30 bis 50 cm lang und springen bis zu einem Meter aus dem Wasser, um dann sofort wieder einzutauchen. Mal ein Einzelner, dann wieder eine ganze Meute. Das Wasser brodelt, es scheint zu kochen. Ein Freudentanz? Blitzschnell taucht ein Thunfisch auf, und noch einer, und noch einer.
Schnell wird klar warum die Fische springen, sie sind auf der Flucht und schwimmen um ihr Leben. Die Thunfische sind riesig, geschätzt jeder einzelne auf 150 bis 200 kg (Thunfische können bis zu 300 kg schwer werden). Das Schauspiel ist gewaltig. Diese Eindrücke werden wir so schnell nicht wieder vergessen.
Obwohl der Reiz sehr groß war, blieb die Fischerrute danach an ihrem Platz. Du sollst nicht jagen was du nicht essen kannst.
Egon sagt immer: „Über den Atlantik zu segeln ist so einfach, wenn man in Cap Verden eine Holzpalette hineinwerfen würde, käme sie automatisch in der Karibik an.“
Mitten in der Nacht kämpft er mit einer Gewitterfront. Windböen mit über 30 Knoten pfeifen ihm um die Ohren und das Wasser peitscht auf und rund um das Boot. Er versucht das Boot möglichst genau vor dem Wind zu halten. Der Autopilot schafft es nicht mehr, und ihm fallen langsam die Arme ab. Eigentlich sollte er mal „Nummer eins“ (pinkeln) – kann aber das Steuerrad nicht eine Sekunde aus der Hand lassen.
Ich liege in der Koje. Es geht mir nicht gut, „Ich habe das Gefühl, dass mir der Kreislauf wegbricht“ sagte ich am Vorabend. Egon schickt mich ins Bett und will mich die ganze Nacht nicht sehen. Ich ging ohne etwas zu essen schlafen. Egon der Schatz hat mir während ich schlief getrocknete Apfelscheiben und Wasser daneben hingestellt, davon habe ich immer ein wenig genippt und genascht als ich aufwachte. Puh war das ein Wetter, wieder einmal hoffe ich, dass alles gut geht und drücke in Gedanken den Egon ganz fest.
Das Wetterradar schlägt Alarm, maximale Radarziele werden bereits verfolgt. Egon versucht die Alarmmeldung zu löschen, doch sofort kommt die Nächste. Welle aussteuern, Konzentration, Alarmmeldung löschen, nächste Welle, Winddreher, aussteuern. Boah, er kämpft, und ich kann n ihm im Moment nur geistig zur Seite stehen und hoffe, dass alles gut geht.
Der Steuerstand ist klitschnass, hinsetzen kann er sich auch nicht. Trotz der 29°C hat er kalte Füße, es schüttet wie aus Kübeln. Nummer eins geht nicht, immer noch nicht…, er muss die Winddreher aussteuern. Auf dem Radar sind rund um uns herum die Gewitterzellen.
Plötzlich und schlagartig ist der Wind weg. Statt über 30 Knoten nur noch 6 Knoten Wind. Von 14 Knoten Fahrt auf 3 Knoten. Wer hat da die Zeit angehalten oder die Handbremse gezogen? Manno, Adrenalin pur.
So, DIE Gelegenheit um die Toilette aufzusuchen, unsere Versprechen an uns: nix geht über Bord, das auch nicht!
Egon sieht bei dieser Gelegenheit, dass die Schale mit Apfelscheiben leer ist und war fein damit „Gut so, das Mädel muss wieder zu Kräften kommen.“, murmelt er in seinen Bart. Ich blinzle und er meint nur: „Mach noch die Augen zu, du brauchst noch Schlaf, viel Schlaf.“
Genau so schnell wie der Wind nachgelassen hat ist er urplötzlich wieder da. Schon steht Egon wieder am Steuerstand und kämpft, gegen den Atlantik, den Wind und die Wellen.
Das Wasser prasselt auf das Boot. Irgendwie fühlt es sich an, wie in einer Autowaschstraße.
Langsam werden die Gewitter weniger, die Fronten verziehen sich und der Wind wird weniger. Wir dümpeln so dahin, drei, vier Knoten. OMG und das Oxley fängt an zu flattern, zu schlagen. Mist, der Wind hat auch gedreht, um 90° auf Süd,…
Egon startet den Motor, damit er das Boot vor den Wind bekommt, wenn das Segel sich im Mast verhakt, dann bravo. Das hätte uns dann auch noch gefehlt, noch ein totes Segel, bitte keinen Supergau.
Egon dreht das Boot, der Wind dreht weiter. Plötzlich kommt er aus Ost und dreht nach Nord. Es ist unmöglich das Boot so schnell zu drehen. Der Egon kämpft gegen den Wind. Innerhalb von Sekunden wechselt die Richtung.
Unvermeidlich, das Segel schlägt an den Mast und die superdünnen Fäden verhängen sich sofort im Radar und in den Scheinwerfen.
Ich höre Egon Fluchen, laut, und wusste jetzt muss was passieren. Ich bin schon am Steuerstand, „ich brauche bitte den Bootsmannstuhl, wenn der Wind jetzt hier einfährt, ist das kleine Oxley auch dahin“ …..ich schüttel nur den Kopf und sage „ du willst jetzt nicht da rauf, oder?“ „ich muss die Leinen lösen“ – ruft er. „Du bist verrückt“.
Ok, der Wind war im Moment nur 6-8 Knoten, das heißt schnell handeln. Die Winddreher sind definitiv das Problem. „Also, ich geh rauf und löse die Leinen, du gibst den Rückwärtsgang hinein und wenn das Segel frei ist, ziehen wir den Bergeschlauch darüber“ – war sein Plan. Mit Spaß war das nix, als ich den Egon über die erste Saling hinaufziehe, gelingt es ihm, die verwurschtelten Leinen zu entwirren und das Segel zu lösen. „lass mich jetzt schnell runter, bevor es sich wieder verheddert“ ruft Egon mir zu. Dann hechtet er aufs Vorschiff und zieht schnell den Bergeschlauch über das Segel. Der Rest ist Routine. Das Segel kommt klitschnass in den vorderen Stauraum. Abklatschen, Logbuch schreiben.
…It will be funny – they said.
So, und dann kommt die Flaute und wir stecken mitten drin. Na bravo. Um 18:00 haben wir immer noch keinen Wind. Mal vier Knoten, mal sechs Knoten. Egons Idee, das Oxley zu trocknen bevor es schimmelt, ließ uns schnell handeln. Das Segel montieren, trocknen und wieder ordentlich versorgen. Perfekt, dafür eignet sich diese Windsituation wunderbar, und unser Tuch schimmelt nicht vor sich hin.
Kein Wind, aber sehr unangenehmes Kreuzgewell. Unser Boot wird hin und her geschaukelt. Egon entscheidet sich für die „Stahlliesel“. Der Verbrauch von unserem Volvo Penta beträgt um die 5 Liter pro Stunde und wir haben einen 600 Liter Tank an Bord. Kommt also auf einen Tag Motornutzung nicht an, sagt er. Allemal besser als auf dem Platz herum zu schaukeln.
Unsere Wetterdaten sind jetzt 6 Tage alt. Egon weiß noch, dass der Wind in der zweiten Hälfte des Atlantiks von Ost auf Nord drehen sollte. Tja, nicht immer stimmt die Vorhersage zum einen, zum anderen kann sie in 6 Tagen komplett wechseln und somit hoffen wir nun täglich, dass alles gut geht und denke mir, dass die Seemänner früher das wahrscheinlich auch so gemacht haben ⭐️☀️😏⛵️✨⚓️🛶🛟⁉️
,TWS (true wind speed) ist nur 8 Knoten, und er kommt aus Süd, also total anders als in der Vorhersage von vor 6 Tagen prognostiziert. Somit beschließt Egon total konservativ zu segeln, um Winddrehern besser Herr zu werden und wir setzen das Groß im ersten Reff und die Genua.
Irgendwann in der Nacht nimmt der Wind zu, und wir erreichen 10 Knoten. Wäre ja toll, wenn er aus 90 Grad kommt, dann würde es reichen, um ohne Motor weiter zu fahren. Allerdings kommt er von hinten und dafür haben wir die falschen Segel gesetzt.
Egon denkt leise…“Groß und Genua runter und OXLEY wieder rauf? In der Nacht?“
Und weg war er, der Gedanke….
Nein – abwarten und alles so lassen. Wir sind ja nicht auf der Flucht, sagt er zu mir.
Mittwoch, 7. Dezember, 06:00, noch 750 Seemeilen bis nach Martinique. Ungefähr 2/3 der Strecke liegen trotz unserem Umweg hinter uns. Bei vernünftigem Wind wären dazu vier Tage notwendig. An sich wäre es wieder an der Zeit die Wetterdaten zu holen – geht nicht – Iridium ist immer noch tot.
Zeit um die Eintragungen im Logbuch zu machen. Der Wind frischt auf. Motor aus und schon geht es flott dahin. Bei 15 Knoten Raumschotwind (schräg von hinten) läuft unser Boot so um die 7 bis 8 Knoten. Innerhalb der nächsten Stunde nimmt der Wind einmal ab und einmal zu und auch die Richtung hält er nicht bei. So wird der Motor abermals gestartet.
So ganz ohne Wetterdaten tappen wir vollkommen im Dunkeln. Wir wissen nicht ob es evtl weiter nördlich mehr Wind hat oder oder oder….. das Iridium funktioniert immer noch nicht.
So ärgerlich, dabei waren wir echt gut vorbereitet. Szenarien haben wir laut durchgedacht und sind sie Schritt für Schritt durchgegangen.
- Feuer: das wäre wohl das Schlimmste, alleine ein defektes Ladegerät könnte dies Auslösen, und dann geht es Schnell, unser Boot ist aus Polyester, also zack und alles brennt
- Rettungsinsel muss dann sofort ins Wasser mit sämtlichen Überlebensmitteln für mind. 10 Tage
- Für diesen Fall haben wir 2 Grabbags hergerichtet und griffbereit positioniert. Wir haben aufgeteilt, N°1:Wasser, Astronautenfutter, Messer, Taschenlampe, Signalraketen, Neopren, Medikamente, Fischerutensilien, Geld, Reisepässe und ähnliches gepackt
- N°2: Das zweite Grabbagist leer, dieses wird erst im Ernstfall befüllt. Dort kommen EPIRB (Notsignalboje), Iridium, Funkgeräte, Telefone, I-Pad und ähnliches hinein. Alles Dinge die im Normalfall an Bord gebraucht werden und erst im letzten Moment gepackt werden können.
Im Idealfall wird ein telefonischer Mayday abgesetzt. Sofern das Iridium funktioniert! Da dies bei uns nicht der Fall ist, müssten wir darauf hoffen, dass wir die Rettungskette mit der EPIRB Boje auslösen können.
Unser Fazit: Feuer auf jeden Fall vermeiden und sämtliche Geräte nur unter Aufsicht laden.
Betreffend treibender Schiffscontainer (gibt immerhin ca. 16 000 pro Jahr) mache ich mir mit unserem Trimaran keine Gedanken, sagt Egon, das ist eher eine Gefahr für ein GFK Einrumpfboot.
Donnerstag, 08. Dezember 2023, 1100 12°15‘065N 051°18‘258W TWS 3
Wir beschließen nach dem Frühstück eine Badepause einzulegen und auf 5.000 m Tiefe bei 29° Wassertemperatur eine Schwimmpause einzulegen. OMG war das herrlich.
Während dem Frühstück aber, zog unweit von uns eine Schule Grindwale vorbei. Es war sooo sehr schön. Wir waren so damit beschäftigt den Tieren nachzusehen und sie zu beobachten, dass wir ganz vergessen haben zu kauen. Das sind Situationen, die man nicht nur kaum beschreiben kann. Es klingt auch komisch und unvorstellbar, dass man irgendwo mitten im Atlantischen Ozean eine Pause einlegt, sich einfach nur treiben lässt und keine 100 m von uns entfernt diese wunderbaren Tiere vorbeiziehen. Das sind Situationen, die man nur fühlen und erleben kann. Im Weiten „Nichts“ welches ja absolut keines ist, glatte See, Stille, die Sonne strahlt in einer mittlerweilen doch sehr starken Instension und mitten drin stehen wir mit unserer TRELAX. Ich komme mir zeitweise vor, wie in einem Film, der kein Film ist, sondern Wirklichkeit, eigentlich paradox, aber dennoch ein besonderes Gefühl. „Weird“ , würde man es in „Denglisch“ bezeichnen.
Wir beobachteten sie noch ein Weilchen, bis wir sie nicht mehr sehen können und beendeten dann unser Frühstück.
„bring bitte schnell den Fotoapparat, vielleicht kriegen wir ein tolles Bild“ rufe ich Egon zu. Wieder einmal hat sich ein Vöglein als blinder Passagier geoutet. Bis auf einen halben Meter ließ er uns heran, schaute ein wenig komisch in dem er sein kleines Köpfchen verdreht aber Anstalten wegzufliegen machte er keine.Vorsichtig, ganz vorsichtig nähert sich Egon dem kleinen Flieger. Problemlos, bis auf einen halben Meter, lässt er ihn an sich heran. Wir schliessen Schwaglein (schwarzes Vöglein) sofort ins Herz und beäugen ihn von allen Seiten. Immer wieder dreht er eine kurze Runde im oder außerhalb des Bootes und kommt wieder und wieder zurück an Bord. Dann macht er es sich auf dem Tisch bequem. „Geht nicht mein Freund, den brauchen wir jetzt gleich zum Essen. Claro, bekam er Brotkrümel und alles Mögliche vorgesetzt. Interessierte ihn nicht die Bohne, Hunger scheint er nicht zu haben. Er sucht nur einen Platz zum Ausruhen.
Schließlich sucht er sich den Platz auf dem „captains desk“ . Daß sich Egon einen halben Meter neben ihm befindet, ist ihm sichtlich egal „Du darfst auf meinen Schreibtisch schlafen und sogar dort kacken. Ich geh jetzt ins Bett. In meinem Schlafzimmer hast du nichts zu suchen, nur damit du Bescheid weißt mein gefiederter Freund, gute Nacht“ gab ihm Egon zu verstehen, als er sich in die Koje legt um sich auszuschlafen. Ich wache inzwischen wie gewohnt am Steuerstand und picke mich ein. Drei Stunden später kommt Egon wieder zu mir hoch um mich abzulösen und „Schwaglein“ schläft immer noch dort, wo ihm Egon drei Stunden vorher die Erlaubnis dazu erteilt hatte. Den Kopf zwischen den Flügeln versteckt schläft er tief und fest.
Vom Kaffeemaschinenkrach unbeeindruckt, bleibt er an seinem Platz, den Schreibtisch vollgekackt hat er trotzdem, aber Egon hat es ihm ja erlaubt. Wir versuchen auch ihm mit Wasser zu versorgen, Brotkrümel zu füttern. Leider hat er alles verschmäht. Keine Insekten können wir finden, die wir ihm hätten vorlegen können, tja, so war unser Vogelfutterlatein am Ende. Schwaglein folgt uns überall hin, es scheint, als wollte er nicht alleine sein.
Allein im Salon zu bleiben will auch Schwaglein nicht. Er umrundet das Boot und setzt sich auf eine Leine am Vordeck. Nicht einmal das Starten oder Landen der Drohne irritiert ihn. Er ist dermassen zutraulich, dass er es sich auf unseren Fingern bequem macht und da schläft. Der Tag ist total entspannt, wir genießen die Weite des Ozeans, die Rundumsicht über das Wasser und unseren neuen Freund. So herzig, dieser kleine Vogel, der immer zutraulicher wird, flattert uns hinterher, fliegt wieder rund ums Boot und dann sitzt er wieder zwischen uns.
Er ist so klein und hat den Mut eines Adlers, deshalb hat ihn Egon „Kleiner Adler“ umgetauft.
Irgendwann lässt er sich auch den Bauch streicheln und genießt es offenbar. Ein so wunderschönes Erlebnis, wie dieses Vöglein ohne Furcht hier Platz genommen hat.
Normalerweise kommen Tiere nur zum Ausruhen oder zum Schlafen auf das Boot und sind dann am Morgen wieder weg. Doch der kleine Kerl will offensichtlich bei uns bleiben. Wir entscheiden ihn zu adoptieren! Er kann bleiben so lange er will. Irgendwann wird er wieder wegfliegen aber die Erlebnisse mit ihm werden uns bleiben. Dieses kleine Kerlchen sitzt mal hier mal da, vertraut uns wenn wir an ihm vorbeigehen und immer wieder passen wir auf, dass wir uns nicht womöglich auf ihn draufsetzten oder gar -steigen.
Am Abend als es bereits dunkel ist macht „Kleiner Adler“ wieder etwas komplett anderes. Er verkriecht sich zwischen der Silberschüssel und der Gitarre. „Komisch“ sage ich zu Egon. „irgendwas scheint mit ihm nicht zu stimmen“. Als ich ihn ein paar Minuten später suche und die Gitarre wegnehme liegt sein toter Körper dahinter.
Er ist zum Sterben auf unser Boot gekommen und hat uns seinen letzten Tag geschenkt.
Danke „Kleiner Adler“, danke für die wunderbaren Stunden, die wir mit dir verbringen durften. Wir werden uns noch sehr lange an dich erinnern.
In diesen Breitengraden bringen die Passatwinde die Boote von Ost nach West. Mal drehen die Winde ein bisschen gegen Norden oder Süden. Fast nie bläst der Wind von West nach Ost. Seit drei Tagen ist jetzt „fast nie“!!!
Entweder haben wir keinen Wind oder er bläst mit 6 – 8 Knoten voll auf die Nase. Zudem haben wir in dieser Nacht die Wellen aus einem sehr schlechten Winkel. Die TRELAX hüpft in der Gegend herum, bockt und zickt und wir kommen trotz Motor nur sehr schlecht voran.
Eigentlich ist unser Ziel Martinique, bis zu dieser Insel sind es noch gute 500 Seemeilen.
Wenn uns der Wind fehlt brauchen wir den Motor. Der Dieseltank fasst 600 Liter, einige Kanister haben wir auch noch dabei. Egon ist nicht sicher ob wir damit durchkommen.
Notfalls müssen wir Barbados anlaufen und dort Diesel bunkern. Bis Barbados sind es ungefähr 400 Seemeilen. Hoffentlich schaffen wir es zumindest bis dorthin.
Tag 13 – wir sind so weit das Auge reicht immer noch allein. Seit Mindelo haben wir kein einziges Boot gesehen. Seit sieben Tagen sind wir abgeschnitten von der Außenwelt.
Der Wind hält und heute genau gleich wie in den letzten paar Tagen zum Narren. Mal gibt es einen Funken Hoffnung, sofort werden die Segel gesetzt. Danach schläft der Wind ein und dreht wieder mit 4, 5 Knoten auf Gegenkurs.
Nach spätestens einer Stunde läuft unser Motor wieder.
Im letzten Licht der Abenddämmerung konnten wir wieder viele fliegende Fische beobachten. Immer wieder schön anzusehen wie sie aus dem Wasser fast senkrecht aufstehen um dann nach vorne zu kippen und mit blitzschnellen Flügelschlägen knapp über das Wasser fliegen.
Nach einem hervorragenden Filetsteak mit Pfeffersauce, gerösteten Kartoffelscheiben und Karottengemüse, das ich Egon zubereitet habe, und mir einfach das selbe ohne Fleisch, genießt Egon den letzten Sundowner in einem unserer Daltons auf dem Deck, ich lege mich noch einmal ins Bett nachdem die Sonne blutrot am Horizont ins Wasser eingetaucht ist.
Immer noch schnurrt unser Schiffsdiesel mit 1 800 Umdrehungen. Der Motorservice ist längst überfällig. Das ist mit Sicherheit eine der ersten Arbeiten in der Karibik.
Es sind noch ungefähr 150 Seemeilen bis Le Marin auf Martinique. Wenn alles so klappt wie wir uns das vorstellen, dann sollten wir morgen Abend dort ankommen. Erst vor Ort werden wir entscheiden ob wir in den Hafen einlaufen oder erstmals eine Nacht in einer Bucht verbringen.
Wir haben heute bereits die französische sowie die gelbe Quarantäneflagge gehisst.
Die gelbe Flagge bleibt an der Steuerbordseite der ersten Saling, direkt unter der Gastlandflagge so lange gehisst, bis wir dort einklariert haben.
Die Ersatzkanister mit Diesel haben wir heute in den Tank geschüttet. Damit sollten wir problemlos zu unserem Zielort gelangen.
Nebenbei wasche ich noch noch einige Maschinen Wäsche gemeinsam haben wir die Schattensegel am Steuerstand montiert.
In den Bootspapieren steht zwar Segelboot, seit geschlagenen sechs Tagen sind wir nun aber, mit kurzen Unterbrechungen, mit dem Motor unterwegs.
Der Vorteil dabei ist, dass wir mit den Lichtmaschinen permanent unsere Batterien laden und keine Rücksicht auf elektrische Verbraucher nehmen müssen, aber
Über den Atlantik zu segeln ist ja so einfach!
„Laaaaand in Siiiicht“ rufe ich Egon zu.
Am Horizont, wo sich die hellen Wolken mit dem Meer treffen gibt es eine kleine dunklere Stelle. Egon lugt skeptisch, meint aber dass es tatsächlich Land sein könnte. Jep – ich habe richtig gesehen. Oh wie schön, und auch nicht. Es war eine besonderes Erlebnis diese Fahrt. Unsere erste richtige Langfahrt nur wir zwei. Und es war herrlich, ich würde es wie einen Jakobsweg auf dem Wasser beschreiben.
Wir haben noch kapverdische Zeit bei uns auf dem Boot. Zwei Stunden nach Österreich und drei Stunden vor Karibik zeigen unsere Borduhren. Bei Ankunft müssen wir diese auf die Ortszeit umstellen.
Einige Meilen bevor wir die Insel erreichen, werden unsere Telefone wieder Empfang haben. Mit Sicherheit wird es dann laut an Bord. Emails, WhatsApp und SMS werden eingehen. Wir haben dann erstmal wieder die Möglichkeit mit der restlichen Welt in Kontakt zu kommen.
Vielleicht erfahren wir auch, wie es dem einen oder anderen Boot ergangen ist, das im selben Zeitfenster wie wir die Cap Verden verlassen hat.
Bis dahin nutzen wir die Zeit um alle Dinge aus den Notfalltaschen wieder in den üblichen Stauräumen unterzubringen. Die Bettwäsche wird wieder gewaschen und neu bezogen, die erste Nacht auf der Insel wollen wir in einem frischen Bett schlafen. Die Fender und Festmacherleinen werden parat gelegt, und ausgiebig geduscht, vor allem aber in Ruhe.
Geschafft – erster Logbucheintrag in der Karibik:
Montag, 12.12.2022 1800 14°23‘629N 060°53‘264W
Bucht „Le Marin“ vor Martinique. Motor aus bei 1517,5h, Anker bei 5m Tiefe, 25m Kette, eingefahren bei 1800RPM.
Egons Fazit:
Über den Atlantik zu segeln ist ja so einfach.
Wenn der Wind passt, die Wellen nicht zu hoch sind und von der richtigen Richtung kommen. Wenn sich niemand verletzt oder krank wird. Wenn nichts kaputt geht und ausreichend Lebensmittel und Getränke an Bord sind.
Dann und nur dann ist über den Atlantik segeln ja so einfach!
Mein Fazit:
It will be funny they said oder so. Na ja, so ganz konnte ich diesem Sager nicht zustimmen, aber…
Es war schön, besonders, und abenteuerlich. Wir bereiteten uns so vor, dass wir (fast) alles in Erwägung gezogen haben und uns geistig und physisch darauf eingestellt waren, aber wie man sieht, kann man nicht alles im Leben vorher wissen und planen. Dann soll es sein und man muss es akzeptieren.
Alles in Allem fühlte ich mich nie in einer lebensbedrohlichen Situation, natürlich auch dank Egon, der nicht nur mein ganz großer Schatz ist, sondern er auch brenzliche Momente gut im Griff hat. Danke Dir mein Liebling.